Rechtsanwälte Hagen und Gevelsberg

30.09.2020

Quarantäne und Kündigungsschreiben: Zieht man wegen Quarantäne den "Kürzeren"?

Das Corona-Virus hält jeden Tag neue Fragestellungen im Arbeitsrecht bereit.  

So kann sich die Frage stellen, ob in Quarantäne befindliche Personen sicherzustellen haben, während dieser Kenntnis von der Post nehmen zu können.  

Beispielsweise könnte ein Großteil der Frist der Kündigungsschutzklage verstreichen, ohne dass der Empfänger überhaupt Kenntnis von der Kündigung hat.  

 

Wird eine Kündigung in den Briefkasten geworfen, so handelt es sich erstmal um die Abgabe einer Willenserklärung unter Abwesenden. Erklärender und Empfänger stehen sich gerade nicht gegenüber. So hält § 130 I 1 BGB für diesen Fall fest, dass eine solche Erklärung dann wirksam wird, wenn sie dem Empfänger zugeht. 

Doch was meint „zugehen“?  

Eine Willenserklärung ist zugegangen, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt. So gilt die Erklärung als zugegangen, wenn nach der Verkehrsanschauung üblicherweise und nicht nur durch Zufall Kenntnis vom Inhalt einer Erklärung genommen werden kann. Damit stellt der Briefkasten einen Machtbereich dar. Es ist damit zu rechnen, dass dieser täglich geleert wird und die Kenntnisnahme hier nicht vom Zufall abhängt.  

Es reicht also, wenn ein Brief im Briefkasten liegt, um den Zugang einer Erklärung zu bejahen und folglich den Fristbeginn zu datieren. Grundsätzlich ist dies auch anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme urlaubs- oder krankheitsbedingt nicht möglich ist.  

 

Ist dies treuwidrig?  

Es kann angenommen werden, dass eine solche Belastung des Empfängers treuwidrig ist, wenn der Erklärende weiß, dass diesem die Kenntnisnahme momentan nicht möglich ist. Eine Korrektur des Zugangsdatums über § 242 BGB könnte die Folge sein.  

Auf den ersten Blick erscheint dies gerecht. Doch kämen Arbeitgeber bei einer Fülle von Arbeitnehmern in die Bredouille, wenn sie sich merken müssten, wann, wer, wie lange nicht in der Lage ist, Kenntnis von seiner Post zu nehmen.  

Vielmehr hat der Empfänger Vorsorgemaßnahmen zu treffen, die eine rechtzeitige Kenntnisnahme ermöglichen. So kann der Briefkasten beispielsweise bei urlaubsbedingter Abwesenheit von Familienmitgliedern oder Nachbarn geleert werden.  

 

Auch bei Quarantäne?  

Offen ist aber, ob solche Maßnahmen auch während der Quarantäne zu treffen sind. Die Quarantäne stellt keinen Zustand dar, welcher die Psyche derart belastet, so dass eine Vorsorge für rechtzeitige Übermittlungen nicht getroffen werden kann. Vielmehr ist die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. In einem solchen Fall bedarf es im Regelfall Hilfspersonen, die den Betroffenen mit Lebensmitteln versorgen. So kann gleich auch der Briefkasten geleert werden. Der Empfänger ist sich bewusst, innerhalb der 14 tätigen Quarantäne Post zu erhalten. So könnte das Unterlassen der Vorsorgemaßnahmen zu einer Zugangsvereitelung führen.  

Werden keine vorsorglichen Maßnahmen getroffen, um die Kenntnisnahme der Post zu ermöglichen, so könnte eine Obliegenheitsverletzung gegeben sein, welche ein Zugangshindernis darstellt. Dann hätte die Erklärung den Machtbereich des Empfängers gar nicht erst erreicht. 

Es existiert erstmal keine allgemeine Pflicht, für den reibungslosen Empfang von Erklärungen zu sorgen. Derjenige, der aufgrund einer bestehenden oder angebahnten vertraglichen Beziehung oder eines sonstigen geschäftlichen Kontakts zum Erklärenden mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat, ist gehalten, geeignete Vorkehrungen zu treffen, damit ihn diese Erklärungen auch tatsächlich erreichen.  

Dann handelt es sich um eine Obliegenheit, bei deren Verletzung es dem Empfänger nach Treu und Glauben verwehrt sein kann, sich auf die fehlende Zustellung zu berufen.  

Wie jedoch bereits festgestellt, gelangt eine Erklärung auch während der Quarantäne, unabhängig von der Vorsorge zur Kenntnisnahme, in den Machtbereich des Empfängers. Damit ist eine Zugangsvereitelung abzulehnen.  

 

Letztlich könnte dies dahingestellt bleiben, wenn die Möglichkeit offen stünde, gem. § 5 I KSchG einen erfolgreichen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung zu stellen. Unabhängig vom Fristerfordernis, § 5 III KSchG, muss der Arbeitnehmer nach Absatz 1 trotz der Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert gewesen sein, die Klage innerhalb von drei Wochen zu erheben. Mit anderen Worten: Der Arbeitnehmer (Empfänger) müsste alle ihm zumutbaren Stränge gezogen haben, um Kenntnis nehmen zu können. Nur wenn es ihm dann nicht gelingt, sei ein solcher Antrag zulässig.  

Hat der Arbeitnehmer in Quarantäne, der keinerlei Vorsorgemaßnahmen getroffen hat, alles ihm Zumutbare getan, um Kenntnis nehmen zu können?  

Selbst wenn mit den Nachbarn eines Mehrfamilienhauses kein derart enges Verhältnis besteht, dass diese sich gegenseitig helfen, so sind in der Quarantäne befindliche Personen mit Lebensmitteln zu versorgen. Gleichzeitig kann dann verabredet werden, den Briefkasten zu leeren und die Post mit den Einkäufen zu übergeben. 

Der Empfänger ist sich bewusst, in der Zeit seiner Quarantäne Post zu erhalten. Es liegt an ihm, von dieser Kenntnis zu nehmen. Dessen Nachlässigkeit kann nicht zulasten des Erklärenden gelten. Es kann keinen Unterschied machen, ob man im Urlaub unter den Palmen liegt oder wegen Quarantäne die Wohnung nicht verlassen kann. Die Ausgangslage bleibt dieselbe. 

 

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