Belehrungspflicht des Arbeitgebers über den Verfall von Urlaubsansprüchen bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern
Das Landesarbeitsgericht Hamm hat am 24.7.19 ein Urteil zur Belehrungspflicht des Arbeitgebers über den Verfall von Urlaubsansprüchen bei langzeiterkrankten arbeitsunfähigen Arbeitnehmern (Aktenzeichen 5 Sa 676/19) erlassen.
Leitsätze
Eine Belehrungspflicht des Arbeitgebers, dass Urlaubsansprüche bei Nichtinanspruchnahme bis zum 31.12. des Kalenderjahres oder bei Übertragung bis zum 31.03. des Folgejahres erlöschen, besteht bei einem langfristig erkrankten Arbeitnehmer nicht.
Die Pflicht zur Belehrung lebt erst nach Wiedergenesung des Arbeitnehmers auf.
Tatbestand
Die Parteien streiten über das Bestehen eines Urlaubsanspruchs.
Aufgrund der Erkrankung konnte die Arbeitnehmerin von dem ihr zustehenden Urlaubsanspruch 14 Tage nicht mehr beanspruchen.
Seit einem Jahr ist diese nun durchgehend erkrankt.
Die Arbeitnehmerin forderte die Abgeltung des Urlaubs. Sie vertritt die Ansicht, der Urlaub von 14 Tagen sei nicht verfallen, da der Arbeitgeber es unterlassen habe, sie rechtzeitig auf den drohenden Verfall hinzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Urlaubsanspruch sei aufgrund der weiterhin fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH am 31.03.2019 erloschen.
Nach Entscheidung des BAG könne der Verfall von Urlaub daher grundsätzlich nur eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert habe, den Urlaub zu nehmen und ihn klar und rechtzeitigt darauf hingewiesen habe, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraumes erlischt.
Diese Grundsätze gelten jedoch nicht im Falle einer langzeiterkrankten Arbeitskraft.
Es sei dem Arbeitgeber wegen der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht möglich, dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub in Anspruch zu nehmen. Auch bei einer förmlichen Aufforderung, den Urlaub zu nehmen, kann dies wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht realisiert werden.
Eine Belehrung als Obliegenheit des Arbeitgebers ergibt nur Sinn, wenn der Arbeitnehmer auch tatsächlich in der Lage ist, auf diese zu reagieren und den Urlaub dann auch zu nehmen. Bei einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit ist dies gerade nicht der Fall.
Eine solche Obliegenheit des Arbeitgebers ist jedoch anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangt habe und in der Lage sei, den Urlaub anzutreten.
Bleibt er jedoch durchgehend arbeitsunfähig, bleibe es bei dem Verfall der gesetzlichen Urlaubsansprüche 15 Monate nach dem Ende des Urlaubjahres, ohne dass eine vorherige Belehrung des Arbeitgebers erfolgen musste.
Entscheidungsgründe
Die Ablehnung einer Belehrungspflicht stellt noch keine Ungleichbehandlung oder Schlechterstellung dar, sondern eine an verschiedenen Lebenssachverhalten ausgerichtete Behandlung. Arbeitnehmer, die längerfristig arbeitsunfähig erkrankt sind und solche, die arbeitsfähig sind, sind in Bezug auf die Urlaubserteilung nicht zu vergleichen.
Auch eine Belehrung dahingehend, dass bestehende Urlaubsansprüche erlöschen, wenn diese nicht bis zum 31.12 des Kalenderjahres beansprucht werden, wäre im Fall des langzeiterkrankten arbeitsunfähigen Arbeitnehmers schlicht falsch, da diese im Fall der Arbeitsunfähigkeit erst nach Ablauf von 15 Monaten nach dem Ablauf des Kalenderjahres erlöschen, aus dem sie resultieren.
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