Rechtsanwälte Hagen und Gevelsberg

30.10.2019

Aufhebungsvertrag unterschrieben - Selbst ins Aus gekickt?!

Aufhebungsvertrag unterschrieben – Selbst ins Aus gekickt?!

Am 07.02.2019 erging ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Widerruf eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags.

 

Leitsätze

  1. Die Einwilligung zum Abschluss eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags kann nicht gem. § 355 BGB widerrufen werden.
  2. Ein Aufhebungsvertrag ist jedoch unwirksam, wenn er unter Missachtung des Gebots des fairen Verhandelns zustande gekommen ist.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Der Lebenspartner der Arbeitsgeberin, welcher tatsächlich das Geschäft führt, suchte die Klägerin gegen 17:00 Uhr in ihrer Wohnung auf und legte ihr einen Aufhebungsvertrag vor. Die Klägerin unterschrieb diesen. Nach dem Aufhebungsvertrag wird das Arbeitsverhältnis einvernehmlich ohne Zahlung einer Abfindung beendet. Mit Erfüllung des Aufhebungsvertrags sollen keine Ansprüche mehr aus dem Arbeitsverhältnis gegen die andere Partei mehr bestehen. Die Klage der Arbeitnehmerin bedarf der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch den Aufhebungsvertrag beendet wurde.

Nach Aussage der Klägerin habe diese am besagten Tag krank im Bett gelegen. Der Lebenspartner habe ihr gesagt, dass er ihre Faulheit nicht unterstützen werde und hielt ihr den Vertrag hin. Unter dem Einfluss von Schmerzmitteln habe sie unterschrieben und erst im Nachhinein gemerkt, was sie  gemacht habe, da sie zum Zeitpunkt des Unterschreibens „im Tran“ gewesen sei.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin am Vormittag dieses Tages telefonisch um den Abschluss eines Aufhebungsvertrags gebeten hatte. Auch eine krankheits- oder medikamentenbedingte Beeinträchtigung dieser sei bei Vertragsschluss nicht zu bemerken gewesen. Auch sei keine Äußerung bezüglich der Faulheit gefallen.

 

Entscheidungsgründe

Der Vortrag der Klägerin ist bezüglich der medikamentösen Wirkung reicht nicht für die Annahme eines Zustands der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit i.S.d. § 105 II 2. Alt. BGB aus, der Aufhebungsvertrag ist unter diesem Gesichtspunkt wirksam.

Gleiches gilt für den Anfechtungsgrund i.S.d. §§ 119 ff. BGB; ein solcher ist nicht gegeben.

Auch fällt die in Rede stehende Beendigungsvereinbarung nicht unter § 307 I 1 BGB. Formularmäßige Abreden, welche Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistungen und dessen Vergütung unmittelbar bestimmen, sind aus Gründen der Vertragsfreiheit regelmäßig aus der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 I 1 BGB ausgenommen.

Der Klägerin steht auch kein Widerrufsrecht gem. §§ 355 i.V.m. 312g I, 312b BGB zu. Der Anwendungsbereich für die genannten Vorschriften ist gem. § 312 I BGB nicht eröffnet. Ein Aufhebungsvertrag kann deshalb auch nicht dann vom Arbeitnehmer widerrufen werden, wenn er in der Wohnung des Arbeitsnehmers geschlossen wurde.

Der Wortlaut des § 312 I BGB lässt nicht erkennen, ob arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nach dem Willen des Gesetzgebers zu den Verbraucherverträgen zählen, die von dieser Vorschrift erfasst werden sollen. Dafür ist eine „Leistung“ des Unternehmers erforderlich, die zudem „entgeltlich“ sein muss. Ob der Abschluss eines Aufhebungsvertrags eine Leistung des Arbeitgebers ist, ist dabei Frage der Auslegung sowie der Entgeltlichkeit. Dies folgt schon daraus, dass arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge sowohl  mit, als auch ohne Abfindungsvereinbarung geschlossen werden. Bei einer Abfindungszahlung als entgeltliche Leistung wären die §§ 312 ff. BGB anwendbar. Ein Aufhebungsvertrag der keine Abfindung vorsieht, könnte jedoch nicht widerrufen werden. Dies könnte zu einem Wertungswiderspruch und einem möglichen Verstoß des Art. 3 GG führen.    Darüber hinaus ist auch kein Bezug der §§ 312 ff. BGB zu arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen zu entnehmen.

Es besteht aber die Möglichkeit, dass der Vertrag unter Verstoß gegen das sogenannte Gebot des fairen Verhandelns zustande gekommen und daher unwirksam ist.                                                            

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann einer möglichen Überrumpelung des Arbeitnehmers bei Vertragsverhandlungen mit dem Gebot des fairen Verhandelns begegnet werden.  Bei diesem Gebot handelt es sich im Zusammenhang mit der Verhandlung eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags um eine durch die Aufnahme von Verhandlungen begründete Nebenpflicht i.S.d. § 311 II Nr. 1 i.V.m. § 241 II BGB weil der Aufhebungsvertrag ein eigenständiges Rechtsgeschäft ist.

Durch § 241 II BGB wird nicht zu einer Verleugnung der eigenen Interessen gezwungen, sondern vielmehr zu einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen der Gegenseite.

Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 II BGB verstoßen, wenn sie eine Vertragssituation erzeugt oder ausnutzt, die sich als unfaire Behandlung bezeichnen lässt. Dieses Gebot wird missachtet, wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in missbilligender Weise beeinflusst wird. Dabei geht es um das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Vertragsschlusses. Eine Verletzung des Gebots liegt konkret vor, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Dies könnte bei unangenehmen Rahmenbedingungen, der Ausnutzung objektiv erkennbarer psychischer oder physischer Schwächen oder unzureichender Sprachkenntnisse denkbar sein. Auch die Nutzung eines Überraschungsmoments kann die Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen (Überrumpelung). 

Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die nach §§ 311 II Nr. 1 i.V.m. 241 II BGB geschuldeten Rücksichts- oder Aufklärungspflichten ergeben sich aus § 280 I i.V.m. §§ 249 bis 253 BGB. Es wird in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass ein Vertragspartner, der durch ein Verhandlungsverschulden geschädigt ist, so zu stellen ist, wie er ohne das Zustandekommen des Vertrags stünde, was in der Regel zu einem Anspruch auf Befreiung von dem abgeschlossenen Vertrag und somit dazu führt, dass der Vertrag gem. § 249 I BGB rückgängig gemacht wird.  Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Geschädigte sich in Anwendung der §§ 280, 249 BGB vom Vertrag in Form der Naturalrestitution lösen kann.

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